Datenschützer zu Fußfesseln: "Das geht uns wirklich ins Mark"
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Die Terroranschläge in Europa haben Bürger und Politik aufgeschreckt. Rechtfertigt die Sicherheitslage neue Gesetze und Instrumente? Der baden-württembergische Datenschützer sieht die Entwicklung mit Sorge.
Videoüberwachung, Fußfesseln, mehr Polizisten: Nach den Terroranschlägen in Europa steuert die Politik in der inneren Sicherheit nach. Baden-Württembergs oberster Datenschützer Stefan Brink erklärt im Interview, wo für Grenzen der technischen und personellen Aufrüstung sind.
Frage: Der Bundestag hat beschlossen, die Einsatzmöglichkeiten der elektronischen Fußfessel zu erweitern, um extremistische Straftäter nach der Haftentlassung zu überwachen. Wie bewerten Sie das?
Antwort: Das geht uns Datenschützern wirklich ins Mark. Das sind mit die schlimmsten Instrumente, die man sich vorstellen kann: Der Einzelne wird auf Schritt und Tritt überwacht. Elektronische Fußfesseln dürfen daher nur in extremen Fällen zur Anwendung kommen.
Frage: Gaukeln Fußfesseln eine Sicherheit vor, die es nicht gibt?
Antwort: Es gibt inzwischen den Anspruch, Straftaten im großen Umfang zu verhindern, möglichst alle Straftäter abzuschrecken und Straftaten zu einer absoluten Ausnahmeerscheinung werden zu lassen. Die Sicherheitsbehörden sagen uns aber: Wir fühlen uns davon überfordert. Ich appelliere, dass wir die Ansprüche nicht so hoch schrauben sollten, sondern realistisch bleiben.
Frage: Was halten sie von Projekten, in denen die Polizei etwa versucht, Wohnungseinbrüche durch Datenanalysen vorherzusehen?
Antwort: Wenn sich der Anspruch festsetzt, jede Straftat vorhersagen und damit verhindern zu können, entsteht ein enormer Druck auf die Sicherheitsbehörden. Dann muss immer dann, wenn eine Straftat stattfand, ja irgendwo ein Fehler passiert sein. Damit wird die ganze Debatte in der Sicherheitspolitik angeheizt, weil es dann Forderungen nach immer mehr Daten und Instrumenten gibt. Und irgendwann machen wir dann Prognosen für jeden Einzelnen und überlegen uns, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der künftig straffällig wird – auch wenn er sich bislang völlig korrekt verhalten hat.
Der Minority-Report
Frage: Ist das Streben nach persönlicher Sicherheit nicht durch und durch menschlich?
Antwort: Wir wünschen uns alle, dass keine Unglücke und Straftaten mehr passieren. Wir haben diese Blütenträume von einer perfekten, sauberen, sicheren und gefahrlosen Gesellschaft, in der wir im Prinzip alle unsterblich sind. Aber so eine Gesellschaft würde uns sehr viel kosten – gerade im Bereich der persönlichen Freiheit.
Frage: Nach einem Terroranschlag ist das Bürgern, die Angst um ihr Leben haben, schwer zu vermitteln…
Antwort: Die Bürger reagieren in vielen Bereichen betroffen und emotional. Das ist ihr gutes Recht. Aber an die verantwortliche Politik habe ich die Forderung, dass sie rational reagiert. Wir leben in einer sehr sicheren Gesellschaft. Wir sollten uns nicht selbst die Freiheit nehmen, weil wir zu stark auf emotionale und irrationale Reaktionen schauen.
Frage: Es gibt Parteien und Bewegungen, die gerade die Ängste und das Irrationale aufgreifen und damit Wahlerfolge feiern…
Antwort: Man kann sich zum Sprachrohr der Ängstlichen und Unvernünftigen machen. Auch die haben ein Wahlrecht und dürfen ihre Meinungen haben. Aber sie können nicht verlangen, dass sich auch alle anderen an einem gesteigerten und manchmal irrationalen Sicherheitsbedürfnis ausrichten und dafür ihre Freiheit hergeben. Wir müssen aufpassen, dass wir uns in der Debatte nicht nach denen richten, die am lautesten Schreien und am emotionalsten reagieren.
(hag)
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